https://www.youtube.com/watch?v=GQ6l6ArNhh0
In Deutschland gibt es zur Zeit über 140 Fahrradstraßen. Die Luisenstraße in Wuppertal ist eine davon, und sie war eine der ersten Fahrradstraßen, die in Deutschland eingerichtet wurden. Das Einrichten von Fahrradstraßen wurde Ende der 90er Jahre ermöglicht. Die Idee: Förderung und Bündelung des Radverkehrs. Außerdem sollten die Radfahrer von den starkbefahrenen Hauptstraßen auf vorhandene Nebenstraßen geholt werden. Laut einem Positionspapier des ADFC steigern Fahrradstraßen die Verkehrssicherheit, das Fahrrad wird „als ernst zu nehmendes Verkehrsmittel in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt“ und die Radfahrerinnen und Radfahrer fühlen sich von der Verkehrsplanung berücksichtigt. Auch für die Anwohner ist eine Fahrradstraße eine schöne Sache: Der Straßenlärm wird reduziert und die Geschwindigkeit in der Straße gesenkt. Für den anliegenden Handel und die Gastronomie bedeuten mehr Radfahrer auch mehr Kunden, denn im Vergleich zu Autofahrern halten Radfahrer deutlich eher an einem Geschäft oder Café an.
Die Wuppertaler Fahrradstraße
Bereits 1997 wurden zwischen Sophienstraße und Auer Schulstraße die Verkehrsschilder 244.1 angebracht. Die Straße ist somit eine grundsätzlich für den Radverkehr vorgesehene Straße. Der KFZ-Verkehr ist nur in eine Richtung zugelassen, und zwar von West nach Ost. Der Fahrradverkehr „hat in dieser Straße Vorrang und darf in beide Richtung fahren. Außerdem darf in der Straße nebeneinander gefahren werden“*. Ferner gelten in einer Fahrradstraße die Regelungen zur Vorfahrt (StVO §8) und zum Vorbeifahren (StVO §6). Im §6 der StVO heißt es:
Wer an einer Fahrbahnverengung, einem Hindernis auf der Fahrbahn oder einem haltenden Fahrzeug links vorbeifahren will, muss entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen.
Das bedeutet für das eingebettete Video oben, dass der KFZ-Verkehr – ob Fahrradstraße oder nicht – nachrangig ist. Der Autofahrer hätte also dem Radfahrer – idealerweise an der Hauseinfahrt – die Vorbeifahrt ermöglichen müssen. Der Seitenabstand zum linken Bordstein suggeriert allerdings, dass der KFZ-Fahrer den Radfahrer bewusst behindern will, vielleicht weil er ihm fälschlicherweise einen Regelverstoß unterstellt und ihn maßregeln möchte. Nun ist ja Selbstjustiz in Deutschland verboten, aber das scheint bei vielen motorisierten Verkehrsteilnehmer ebenso unbekannt zu sein, wie die Existenz von Fahrradstraßen. Auch Uli hat ein Video in der Luisenstraße gedreht, in dem er in eine ähnliche Situation gekommen ist:
Auch mir passiert es an dieser Stelle immer wieder, dass mir der entgegenkommende Autoverkehr mir die Vorfahrt nimmt. Wenn man sich nun nicht schnell auf den Gehweg flüchtet (was verboten ist) hagelt es Beschimpfungen („Verpiss dich, du Arschloch) und Gewaltandrohungen („Ich fahr‘ dich gleich platt“) gepaart mit minimalen StVO-Kenntnissen („Fahrradstraße? Träumst du wohl“, „Radfahrer müssen immer warten“). Neulich hatte ich wieder solch ein „Gespräch“ mit einem Anwohner, der mir gleich zwei Mal die Vorfahrt genommen hatte. Er war wohl auf der Suche nach einem Parkplatz. Er sagte, dass er hier wohnt und er hätte noch nie von einer Fahrradstraße gehört. Das muss man sich mal vorstellen: 17 Jahre nach der Umwandlung in der Fahrradstraße ist dieses Verkehrskonzept noch nicht in den Köpfen der Wuppertaler KFZ-Fahrer angekommen.
Schade, denn eigentlich ist die Fahrradstraße eine nette Sache. Zwar kann man jetzt darüber streiten, wie sinnvoll eine teilweise gepflasterte Fahrradstraße mit massig PKW-Parkflächen und ohne Fahrradabstellmöglichkeiten ist, aber das Konzept an sich gefällt mir. Vielleicht ist das Problem, dass es in Wuppertal nur eine Straße dieser Art gibt. Vielleicht ist das auch der Grund für die fehlende Regelakzeptanz des motorisierten Verkehrs. Nach 17 Jahren sollte man mal eine größere Straße in eine Fahrradstraße umwandeln. Mir schwebt dabei die Hünefeldstraße zwischen Farbmühle und Landgericht vor.
Zum Schluss noch die obligatorische Frage: Wie sind euere Erlebnisse in der Luisenstraße?
* Fahrradkarte der Stadt Wuppertal